Dies war mein 8. Sundance Jahr. Und ich glaube, in noch keinem Jahr zuvor habe ich so viele gute Filme gesehen wie dieses Jahr. Natürlich würde ich mir wünschen, dass auch Ihr diese Filme bald im Kino oder über einen Streaming Service (Amazon, Netflix etc.) anschauen könnt. Also, legen wir mal wieder mit der alljährlichen Auflistung los – wie immer mit einer Kurzbeschreibung und dem Trailer (falls vorhanden):
1. What They Had
Fantastisches Erstlingswerk Elizabeth Chomko. Die Story dreht sich um ein Geschwisterpaar (Hilary Swank & Michael Shannon), welches sich – gemeinsam mit dem Vater (wie immer fantastisch: Robert Forster) – um die Zukunft der Alzheimer-erkrankten Mutter (Blythe Danner) sorgt.
(Voraussichtlicher Erscheinungstermin: 16. März 2017)
Fazit: Unbedingt anschauen
2. Butterflies
Drei entfremdete Geschwister machen sich gemeinsam auf dem Weg in das Dorf ihres verstorbenen Vaters, um ihm dort die letzte Ehre zu erweisen. Dies wird nicht nur eine Reise zu dem Vater, sondern auch eine Reise zu sich selbst.
Dies war für mich persönlich einer der schwächsten Filme des diesjährigen Festivals. Umso erstaunter war ich, als ich erfuhr, dass „Butterflies“ den Grand Jury Prize gewann.
Fazit: Zeitverschwendung!
3. And Breathe Normally (orig. Andið eðlilega)
Fantastischer Film der Isländerin Isold Uggadottir:
Das Leben zweier Frauen kreuzt sich aufgrund unvorhergesehener Umstände. Zwischen der überforderten isländischen Mutter Lare und der asylsuchenden Adja aus Guinea-Bissau entsteht ungewollt eine zarte Verbindung, während beide Frauen strategisch versuchen, ihr Leben wieder in geregelte Bahnen zu lenken.
Fazit: Absolut sehenswert!
4. Damsel
Neben „Butterflies“ war leider auch „Damsel“ eine absolute Enttäuschung. Die Story spielt im Wilden Westen. Der Geschäftsmann Samuel (Robert Pattinson) begibt sich auf die Suche nach seiner vermeintlich entführten Verlobten (Mia Wasikowska). Doch die Suche entwickelt sich zu einem Fiasko. Der Film ist absoluter Quatsch und verliert spätestens nach dem Ableben Samuels jegliches humoristische Element.
Fazit: Au weia!
5. Burden
Klu Klux Klansman, Mike Burden, eröffnet mit seinem Klan das KKK-Museum in Laurens, South Carolina. Als Mike sich in eine alleinerziehende Mutter verliebt, verlässt er aufgrund ihres Einflusses den Klu Klux Klan. Aber so leicht, lassen diese keines ihrer Mitglieder gehen. Der ortsansässige afroamerikanische Referend Kennedy kommt zur Hilfe.
Director Andrew Heckler arbeitete seit 1996 an der Umsetzung dieser wahren Geschichte. Ein beeindruckender Film, der uns wieder mal eine Spiegel vor Augen hält, dass man Hass nicht mit Hass, sondern nur mit Liebe bekämpfen kann.
Fazit: Unbedingt anschauen!!
Noch mehr Infos: Andrew Heckler über „Burden“
6. Puzzle
Agnes wird von ihrer Familie als selbstverständlich gesehen. Mitweilen sogar übersehen. Sie entwickelt eine Leidenschaft für Puzzles – welche unvorhergesehen eine neue Welt für sie öffnet. Ihr Leben gerät aus den Bahnen und auf einmal bieten sich ihr ungeahnte Möglichkeiten.
Wunderbar, charmante Familiengeschichte mit der bezaubernden Kelly Macdonald!
Fazit: Großartig! Unbedingt anschauen!
7. I Think We’re Alone Now
Post-Apokalyptisches Drama. In einer Kleinstadt gibt es nur einen Überlebenden der Apokalypse. Bibliothekar Del scheint sich mit der neuen Situation in der neuen, einsamen Welt gut zurechtzufinden. Bis auf einmal Grace vor ihm steht …. und er sein Leben und seine Ansichten neu überdenken muss.
Fazit: Unbedingt anschauen
Noch mehr Infos: Ellen Fanning & Peter Dinklage über „I Think We’re Alone Now“
8. The Catcher Was a Spy
Dieser Film beruht auf wahren Begebenheiten: Eigentlich spielt Moe Berg in der Major League Baseball, doch nachdem die USA nach dem Angriff auf Pearl Harbor in den Zweiten Weltkrieg einsteigen, beginnt er ein Doppelleben zu führen. Er soll für das Office of Strategic Services, den Nachrichtendienst des Kriegsministeriums der Vereinigten Staaten, verschiedene Aufträge erledigen. Samuel Goudsmit hat die Insiderinformation erhalten, dass sein ehemaliger Kollege Werner Heisenberg, der 1932 den Nobelpreis für die bahnbrechende Quantenphysik erhielt, jetzt für die Versuche der Nazis verantwortlich ist, eine Atombombe zu bauen, wie die USA im Rahmen ihres Manhattan-Projekts. Die Agenten werden erst nach Italien und dann in die Schweiz geschmuggelt, wo sie versuchen herauszufinden, ob Heisenberg in der Nähe dieses Ziels ist.
Unterhaltsamer, kurzweiliger Film. Für meinen Geschmack jedoch zu poliert und etwas fade.
Fazit: anschauen, wenn gerade nichts anderes zu tun ist
9. The Kindergarden Teacher
Remake des gleichnamigen israelischen Films aus dem Jahr 1995. Kindergärtnerin Lisa (Maggie Gyllenhaal) entdeckt, dass einer ihrer 5-jährigen Schützlinge eine besondere Gabe hat. Er ist ein begabter Poet! Gegen den Widerstand der Eltern versucht sie, dieses Talent zu bewahren und zu fördern. Mit dramatischen Folgen.
Eine bewegende Geschichte.
Fazit: sehenswert.
10. Un Traductor
Dieses Drama beruht auf wahren Begebenheiten und spielt in Havanna/Kuba im Jahre 1989. Ein Professor für Russische Literatur an der Universität in Havana wird von seinem üblichen Job abgezogen und soll zukünftig nun im örtlichen Krankenhaus als Übersetzer für russische krebskranke Kinder der Chernobyl-Katastrope (welche zur medizinischen Behandlung nach Kuba geschickt wurden) fungieren. Emotionale Grenzen, Umgang mit Krankheit und Tod und Familiendrama. Der Film bietet all dies auf eine sehr ruhige und einfühlsame Art. Der Film wurde von den beiden Söhnen des „Traductors“ Rodrigo und Sebastián Barriuso basierend auf den Erinnerungen der Eltern produziert!
Fazit: Absolut sehenswert
Und hier endlich mal ein Filmausschnitt
11. Lizzie
Psychothriller, basierend auf den berüchtigten Morden der Familie Borden im Jahre 1892. Ich persönlich war mit dieser Geschichte nicht vertraut – hier in USA scheint sie jedoch jedes Kind zu kennen. Deswegen hier eine kurze Zusammenfassung:
Lizzie Borden war eine US-Amerikanerin, die des Mordes an ihrem Vater und ihrer Stiefmutter verdächtigt und danach freigesprochen wurde. Die Umstände der Verhandlung und der Urteilsspruch erweckten große mediale Aufmerksamkeit. Der tatsächliche Tathergang ist bis heute nicht vollständig geklärt. Zum Zeitpunkt des Mordes waren nur das Dienstmädchen Bridget Sullivan und Lizzie Borden auf dem Anwesen. Sullivan gab bei der Polizei an, dass sie zum Tatzeitpunkt in ihrem Zimmer geschlafen habe, weil sie sich unwohl fühlte. Auch schien sie keinen Grund gehabt zu haben, ihre Arbeitgeber zu ermorden. Lizzie Borden, damals 32 Jahre alt und unverheiratet, hatte hingegen ein Motiv, und ihre Aussagen waren zum Teil widersprüchlich. Sie gab an, zum Todeszeitpunkt ihrer Stiefmutter im Erdgeschoss gewesen zu sein und nichts Außergewöhnliches gehört zu haben. Als ihr Vater getötet wurde, war sie laut ihren Angaben in der Scheune der Familie Borden. Ihr zweites Alibi konnte jedoch von der Polizei widerlegt werden. Man stellte fest, dass die Scheune sehr staubig war und jeder, der sie betrat, Spuren hinterlassen haben müsste. Außer den Spuren der Polizeibeamten, die die Scheune untersuchten, waren jedoch keine weiteren zu finden.
Fazit: hier scheiden sich die Geister. Ich fand den Film sehr langweilig. Hingegen fanden meine Sundance-Kumpels den Film absolut super! Also, am besten selbst anschauen und eine Meinung bilden 🙂
Chloe Sevigny über Lizzie Borden
12. Kusama – Infinity
Dokumentation über die japanische Künstlerin Yayoi Kusama. Kusama ist eine der bedeutendsten japanischen Künstlerinnen der Nachkriegszeit. Die Doku zeigt sehr anschaulich, auf welche Schwierigkeiten Kusama in der von Männern beherrschten Kunstszene stieß und wie sich schlussendlich spät im Leben doch noch die Anerkennung fand, die sie so sehr verdient.
Tolle Doku – egal, ob man mit Kusamas Leben und Wirken schon vertraut war oder nicht!
Fazit: Absolut sehenswert
Einen Trailer habe ich leider nicht gefunden. Dafür dieses schöne Video, das einem Yayoi Kusama selbst und ihre Kunst ein wenig näherbringt.
13. Don’t Worry He Won’t Get Too Far On Foot
Eine Produktion der Amazon Studios. Gus Van Sants Film basiert auf der Autobiografie des Zeichners John Callahan. John Callahan hat ein Talent für schlüpfrige Witze und ein Alkoholproblem. Durch einen Autounfall landet er im Rollstuhl, dennoch findet er Schönheit und Komik in der Absurdität dieser menschlichen Erfahrung. Joaquin Phoenix und Jonah Hill überzeugen in ihren Rollen. Dennoch hat mich der Film recht unberührt gelassen.
Der Film feierte am 19. Januar 2018 im Rahmen des Sundance Film Festivals seine Premiere. Im Februar 2018 soll Van Sants Regiearbeit im Wettbewerb der 68. Berlinale gezeigt werden.
Fazit: Da von Amazon produziert, kann man diesen Film sicherlich bald streamen. Gefühlte 20 Minuten zu lang, aber okay, wenn man nichts anderes zu tun hat.
Und hier der Trailer!
14. Wildlife
Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Richard Ford und gleichzeitig das Regiedebüt von Paul Dano. Worum geht’s? Der 14-jährige Joe Brinson zieht 1960 mit seiner Familie nach Great Falls in Montana, wo sie sich ein besseres Leben versprechen und ein einfaches Backsteinhaus bewohnen. Sein Vater Jerry arbeitet auf einem Golfplatz, wird aber schnell gefeuert, weil er unangemessen freundlich zu den Kunden war, und wird zu einem selbstmitleidigen Alkoholiker. Joe muss nicht nur seinen Vater auf der Couch sitzen sehen, auch bei dem ehelichen Zusammenbruch seiner Eltern muss er zusehen. Als Jerry plötzlich verkündet, dass er sich wie die meisten anderen Männern in Great Falls zu den nahegelegenen Bergen begeben will, wo ein riesiger Waldbrand wütet, dessen Rauch sich langsam in der Stadt niederlässt, ist sein Frau Jeanette enttäuscht. Arbeitslose erhalten einen Dollar pro Stunde, wenn sie helfen gegen das Feuer zu kämpfen, und Jerry hüpft auf einen Lastwagen und lässt Jeanette und Joe allein zurück, ohne zu wissen, ob er jemals zurückkehren wird. Fortan spricht sie mit ihrem Sohn in einer Weise über ihre Sorgen und Gefühle, die, obwohl Joe für sein Alter recht reif ist, nichts für einen 14-Jährigen sind. Jeanette nimmt einen Teilzeitjob als Schwimmlehrerin für den alten, wohlhabenden Warren Miller an, dem Autohändler der Stadt. Miller ist geschieden, und Jeanette nimmt seine Einladung zum Abendessen an und schleppt Joe mit sich. Jeanette braucht jemanden, der für sie sorgt, und redet sich ein, sich zu Miller hingezogen zu fühlen. Joe muss mitansehen, wie seine Mutter mit ihm eine Beziehung beginnt.
Fazit:
* unglaublich langweilig
* Der Zuschauer erhält keinerlei Erklärungen, weshalb die Protagonisten so handeln. Es fehlt jegliche Charakterentwicklung und -tiefe
* Schade, Paul Dano!
15. A Polar Year (Une année polaire)
Eine mit Drehbuchvorlage präsentierte Dokumentation über den jungen, dänischen Lehrer Anders, der sich ein ein abgelegenes 80-Seelen-Dorf nach Grönland versetzen lässt. Doch schon kurz nach seiner Ankunft, merkt er, dass er in dieser eng miteinander verbundenen Inuit-Gemeinde nur schwer Anschluss finden wird. Ungeschickt – aber dennoch spielerisch – versucht Anders sich auf das dortige Leben einzulassen, seine eurozentrischen Vorurteile und Annahmen abzuschütteln und die verschneite Lebensweise annehmen.
Fazit: Super! Absolut sehenswert! Regt zum Nachdenken über eigene Wertvorstellungen an!
Hier der Trailer!
16. Hearts Beat Loud
Nettes musikalisches Drama mit Nick Offerman, Kiersey Clemons und Toni Collette. Der musikbegeisterte Plattenladenbesitzer Frank und seine Tochter Sam schreiben und produzieren einige Songs, bevor Sam die Familie verlässt und sich auf den Weg ins College macht. Der Film wurde wohl von Sony gekauft und ist sicherlich bald zu sehen.
Fazit: Nett. Unterhaltsam. Besonders gefallen haben mir die Szenen, in denen Frank und Sam zusammen an ihren Songs arbeiten.
17. The Sentence (Das Urteil)
Dokumentation: Cindy Shank, Mutter von drei Kindern, verbüßt wegen ihrer Beziehung zu einem mit Drogen handelnden Mann eine 15-jährige Haftstrafe im Bundesgefängnis. Cindy war nie selbst in irgendwelche kriminelle Machenschaften verwickelt. Sie hatte lediglich eine Beziehung mit diesem Mann. Der Drogendealer wurde ermordet und Cindy 6 Jahre später wegen „Verschwörung“ zu 15 Jahren Haft verurteilt. Inzwischen ist Cindy jedoch verheiratet und hat drei kleine Kinder …
Dieses intime Porträt, das von Cindys Bruder im Laufe der letzten 10 Jahren per Videokamera aufgenommen wurde (eigentlich wollte dieser nur vereinzelte Videoaufnahmen für die im Gefängnis einsitzende Schwester machen. Damit diese sehen kann, wie ihre Mädchen aufwachsen), berührt und führt einem die Schwachstellen des amerikanischen Rechtssystems und deren verheerende Konsequenzen vor Augen. Die Doku wurde von HBO gekauft und ist sicherlich bald zu sehen.
Fazit: Taschentücher bereithalten!
