So – hier nun der zweite Schwung an Filmen, die wir beim diesjährigen Sundance Filmfestival gesehen haben:
Big Time Adolescence
Worum geht’s: Man wird sich wohl nie daran gewöhnen – ans Erwachsenwerden. Irgendwie scheinen wir damit immer noch Probleme zu haben. In diesem Film dreht sich alles um den sechzehnjährigen Mo (Griffin Gluck). Er ist klug und kommt aus einer guten Familie, doch sein bester Freund ist … Zeke (Pete Davidson). Ausgerechnet dieser Zeke – der offensichtlich unmotivierte College-Aussteiger, der früher mit Mo’s älterer Schwester zusammen war. Mo’s Vater (Jon Cryer) ist von dieser ungewöhnlichen Freundschaft wenig begeistert. Und Zeke ist wirklich keine große Hilfe beim Erwachsenwerden: statt seine Zeit sinnvoll zu verbringen, erhält der junge Mo eine ganz andere Art von Bildung, denn Zeke bevorzugt einen nicht-traditionellen Lebensstil, der sich hauptsächlich aufs Feiern beschränkt. Eine akademische Grundausbildung schaut anders aus! Wie lange kann das gut gehen?

Fazit: Unterhaltsamer Independent Film übers Erwachsenwerden.
Luce
Worum geht’s: Vor zehn Jahren haben Amy und Peter Edgar (Naomi Watts und Tim Roth) ihren Sohn Luce aus dem vom Krieg zerrissenen Eritrea adoptiert. Luce Edgar (Kelvin Harrison Jr.) ist ein guter Schüler, der von Klassenkameraden und Lehrern hoch geschätzt wird. Seine afroamerikanische Lehrerin Harriet Wilson (Octavia Spencer) glaubt besonders an ihn und hofft, dass Luce für seine afroamerikanischen Klassenkameraden ein gutes Vorbild ist. Jedoch klingen bei Harriet die Alarmglocken, als Luce in einem Aufsatz über einen Guerillakrieger schreibt und wie er mit dessen brutalen Methoden zur (politischen) Konfliktlösung übereinstimmt. Besorgt über Luces offensichtliche Gewaltbereitschaft, durchsucht Harriet seinen Schulspind und findet dort etwas, das ihre schlimmsten Ängste bestätigt.

Fazit: Fantastischer Film, der den Zuschauer am Ende an klassisches Brecht’sches Episches Theater erinnert: „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen den Vorhang zu und alle Fragen offen.“
American Factory
Dokumentarfilm von Steven Bognar und Julia Reichert.
Worum geht’s: Im nachindustriellen Ohio eröffnet ein chinesischer Geschäftsmann im leerstehenden Werk des Autoherstellers General Motors eine neue Fabrik zur Herstellung von Autoglas. In der einkommensschwachen Region finden nun ca. 2.000 amerikanische Arbeiter eine neue Arbeit. Doch die Hoffnung, der Enthusiasmus und der Optimismus erfahren einen Dämpfer, als es zu kulturell bedingten Konflikten zwischen dem chinesischen Arbeitgeber und den amerikanischen Arbeitern kommt.

Fazit: Die Doku wurde von Netflix gekauft und wird dort sicherlich bald zu sehen sein. Absolut empfehlenswert.
Dolce Fine Giornata
Worum geht’s: Maria Linde ist ein Freigeist. Die jüdische-polnische Schriftstellerin erhielt gerade den Literatur-Nobelpreis. Sie wohnt mit ihrer Familie in einem organisierten Chaos in einem schönen Landhaus in der Toskana. Doch die liebende Mutter und Großmutter hat ein Geheimnis: eine Affäre mit dem viel jüngeren ägyptischen Einwanderer Nazeer, der eine kleine Taverne am Strand besitzt. Nach einem Terroranschlag in Rom weigert sich Maria, die hysterische Angst vor Fremden und die aufkeimende Ausländerfeindlichkeit in ihrer Gemeinde zu unterstützen. In einer Dankesrede zu Ehren ihres Literaturnobelpreises prangert sie die erodierende Demokratie Europas und die zunehmende Ausländerfeindlichkeit in ihrer eigenen Gemeinde an. Aber sie hat nicht damit gerechnet, welch öffentliche und persönliche Konsequenzen diese mutige Rede haben wird …

Fazit: Großartiger, zeitgenössischer Film mit einer wunderbar starken weiblichen Protagonistin. Ebenso wie „Luce“ wird der Zuschauer auch hier mit einigen offenen Fragen zurückgelassen.
Stieg Larsson – The Man Who Played with Fire
Dokumentarfilm über die Arbeit des berühmten schwedischen Bestsellerautors
Worum geht’s: In diesem Dokumentarfilm wird „Millennium“ („Das Mädchen mit dem Drachen-Tattoo“)-Trilogie-Autor Stieg Larsson, und seine Pionierarbeit im Kampf gegen Rechtsextremisten und Neonazis bis zu seinem Tod beschrieben – eine Obsession, die letztendlich fatale Folgen hatte. Der Dokumentarfilm ist eine erschütternde Untersuchung des Hintergrunds von Larssons Arbeit und zeigt nie zuvor gesehenes Archivmaterial über den Autor.

Fazit: Für alle Stieg Larsson-Fans ein absolutes Muss. Und man lernt mehr über die (erschreckenden) Zusammenhänge der rechtsradikalen Szene Schwedens.
Paddleton
Worum geht’s: Als bei Michael Krebs im Endstadium diagnostiziert wird, bittet er seinen befreundeten Nachbarn Andy um Hilfe, seinem Leben ein Ende zu setzen, bevor es die Krankheit tut.
Fazit: Netflix Produktion – ab 22. Februar 2019 auf dieser Plattform zu sehen. Ich hatte aufgrund der Inhaltsangabe hohe Erwartungen an diesen Film, aber leider wurde ich unglaublich enttäuscht. Keine Charakterentwicklung, keine Tiefe – der Film ist unglaublich oberflächlich! Aber schaut Euch den Film einfach auf Netflix an und beurteilt selbst …
The Tomorrow Man
Worum geht’s: Ed Hemsler verbringt sein Leben damit, sich auf eine Katastrophe vorzubereiten, die vielleicht nie kommt. Ronnie Meisner verbringt ihr Leben damit, Dinge zu kaufen, die sie vielleicht nie benutzt. In einer kleinen Stadt irgendwo in Amerika begegnen sich diese beiden Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Es entwickelt sich eine vorsichtige Liebe mit vielleicht unüberwindbaren Hindernissen …

Fazit: Liebenswerter und sehenswerter Film mit den großartigen Schauspielern John Lithgow und Blythe Danner. Der Film wurde von Bleeker Street gekauft und sollte somit bald zu sehen sein.
Marianne & Leonard: Words of Love
Schöne Doku über eine lebenslange Liebe
Worum geht’s: „Marianne & Leonard: Words of Love“ ist eine wunderschöne – wenn auch tragische – Liebesgeschichte zwischen Leonard Cohen und seiner norwegischen Muse Marianne Ihlen. Ihre Liebe begann im Jahr 1960 auf der idyllischen griechischen Insel Hydra. Damals lebten eine Menge ausländischen Künstler auf Hydra. Diese Doku zeigt Leonards und Mariannes Beziehung von den Anfängen auf Hydra, einer Zeit der „freien Liebe“ und offenen Ehe, bis zu der Zeit, als Leonard ein erfolgreicher Musiker wurde.
1968 traf der damals 20-jährige Regisseur Nick Broomfield Marianne Ihlen zum ersten Mal auf Hydra. Marianne machte ihn mit Leonard Cohens Musik bekannt und ermutigte Broomfield außerdem, seinen ersten Film zu drehen.

Fazit: Für alle Leonard Cohen Fans (und Fans tragischer Love-Stories) ein absolutes Muss. Broomfield zeichnet das Bild einer Liebe, die ein ganzes Leben andauert. Der Film schildert die Höhen und Tiefen von Leonards Karriere und die inspirierende Kraft Mariannes, die Leonard ein Leben lang begleitete. Marianne und Leonard starben im Abstand von drei Monaten.
Toni Morrison – The Pieces I Am
Worum geht’s: Diese Doku über die legendäre afroamerikanische Literaturnobelpreisträgerin Toni Morrison untersucht ihr Leben, ihre Werke und die gewaltigen (und gewaltsamen) Themen, mit denen sie sich während ihrer gesamten literarischen Karriere beschäftigte. Toni Morrison ist ein Vorbild für uns alle, wenn es um das Erkunden und Verstehen von (afro-)amerikanischer Geschichte, Rassismus und menschlicher Abgründe geht.

Fazit: Absolut sehenswert.